Gesunde Ohren verfügen über einen Selbstreinigungsmechanismus. Das bedeutet, sie brauchen keine Hilfe, um sauber zu bleiben: weder durch Wattestäbchen noch durch andere Gegenstände. Wenn es aber zu Problemen kommt und das Ohr beispielsweise verstopft, funktioniert diese Selbstreinigung nicht mehr richtig. Neben dem Gang zum Arzt sind mittlerweile verschiedene Alternativen wie beispielsweise die Ohrenkerze bekannt. Diese soll Ohrenschmalz entfernen, den Körper entspannen und Tinnitus lindern.

Wie können Sie Ohrenkerzen anwenden – und was ist das überhaupt?

Ohrenkerzen sind in Deutschland seit 1990 als Wellnessverfahren zugelassen. Es handelt sich dabei um hohle, meist 25 bis 30 Zentimeter lange Kerzen, die an einem Ende spitz zulaufen. Neben den Ohrkerzen gibt es auch Hohlkegel, die in Paraffin oder Bienenwachs getränkt sind und denen dieselbe Wirkung zugesprochen wird.

Manche Hersteller bieten Ohrenkerzen auch unter dem Namen „Hopi-Kerzen“ an. Dieses Wort geht auf den indigenen Hopi-Stamm zurück, der die Behandlung angeblich erfunden haben soll. Der Hopi-Stamm gibt jedoch an, niemals Ohrenkerzen angewendet zu haben. Somit ist nicht klar, wer die Behandlung erfunden hat und ob es sich um ein traditionelles oder neuzeitliches Verfahren handelt.

Für die Anwendung einer Ohrenkerze legen Sie sich auf die Seite und stecken das spitze Ende der Ohrenkerze vorsichtig in das freie Ohr. Die Kerze muss mithilfe einer leichten Drehbewegung senkrecht in den Gehörgang eingeführt werden. So soll dieser luftdicht verschlossen werden. Nun zünden Sie das obere Ende der Kerze an. Ist die Flamme nur noch wenige Zentimeter von Ihrem Gesicht entfernt, wird sie mit Wasser gelöscht. Im Anschluss wird das andere Ohr mit einer zweiten Kerze behandelt. Auch die Anwendung von zwei Ohrenkerzen pro Ohr ist möglich. So kann die Behandlung bis zu einer Stunde dauern.

Wie wirkt eine Ohrenkerze?

Ohrenschmalz erfüllt als natürlicher Bestandteil des Ohrs wichtige Funktionen für unseren Körper. Beispielsweise befeuchtet es den Gehörgang und schützt unsere Ohren vor Infektionen. Durch Ohrenschmalz kann sich das Ohr selbst reinigen, denn mit ihm werden Schmutz, Staub und abgestorbene Hautzellen aus dem Gehörgang transportiert. Somit ist das gelbe Schmalz etwas ganz Natürliches, das unserem Körper sogar guttut.

Trotzdem kann es zu einer Überproduktion von Ohrenschmalz kommen. Das ist besonders unangenehm, wenn das Ohr infolgedessen verstopft und Sie schlechter hören können. Zu viel Ohrenschmalz stellt auch für die Träger von Hörgeräten ein Problem dar: Es ist der häufigste Grund für die Notwendigkeit einer Reparatur oder Reinigung des Hörgeräts. Das ist nicht nur unangenehm, sondern auch ziemlich teuer. Dass Sie das Ohrenschmalz entfernen möchten, ist in solchen Fällen nur allzu verständlich.

Die Hersteller von Ohrenkerzen versprechen, dass genau das mit ihren Produkten möglich sei. Dazu stecken Sie die Kerze in Ihr Ohr und zünden sie an. So entsteht ein Luftzug nach unten, durch den ein leichter Überdruck erzeugt wird. Ist die Hälfte der Ohrenkerze abgebrannt, dreht sich der Luftzug nach oben, was zu einer Druckentlastung führt. Es sollen dadurch verschiedene Wirkungen zustande kommen:

  • Der Unterdruck soll das Ohrenschmalz aus dem Gehörgang ziehen können.
  • Die sich verändernden Druckverhältnisse sollen die Durchblutung im Ohr und den Lymphfluss anregen.
  • Der Druckausgleich soll außerdem entspannend auf die Atmung, das Herz und die Muskulatur wirken.
  • Der Unterdruck soll die Nasennebenhöhlen und die Ohren von Unreinheiten und Giftstoffen befreien können.
  • Zudem wird die Linderung von Ohrgeräuschen, Kieferschmerzen, Migräne und Schwindelgefühlen versprochen.

Ohrenschmalz mit der Ohrenkerze entfernen: Funktioniert es?

Wer mit Ohrenkerzen Erfahrungen gemacht hat, stößt nach dem Abbrennen meist auf ein gelbes bis braunes Häufchen. Die meisten Menschen nehmen an, dass es sich dabei um das herausgezogene Ohrenschmalz oder entfernte Schadstoffe handelt. Doch wenn Sie die Ohrenkerze an einem anderen Ort abbrennen, zeigen sich dieselben Rückstände. Es handelt sich dabei nicht um Ohrenschmalz, sondern schlicht um das verbrannte Gewebe der Kerze.

Es zeigt sich: Ohrenkerzen können kein Ohrenschmalz aus dem Ohr ziehen. Das liegt daran, dass der entstehende Druck nicht stark genug ist. Vor allem, wenn er bereits verhärtet ist, ist Ohrenschmalz ein sehr klebriger, widerstandsfähiger Stoff. Dann ist es physikalisch nicht möglich, dass die Sogwirkung der abbrennenden Kerze das Schmalz aus dem Ohr zieht.

Welche Gefahren gibt es bei der Ohrenkerzen Anwendung?

Unter HNO-Ärzten gilt die Ohrenkerze als pseudomedizinisches Produkt. Das bedeutet, es werden medizinische Wirkungen angepriesen, die jedoch nicht wissenschaftlich bewiesen wurden. Insgesamt halten die meisten Ärzte Ohrenkerzen für eher gefährlich und raten von der Nutzung ab.

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Die größte Gefahr liegt in der Temperatur der Ohrenkerzen. Heißes, tropfendes Wachs kann den äußeren Gehörgang verstopfen oder sogar Verbrennungen am Ohr oder dem Gesicht hervorrufen. Dabei kann es zu irreparablen Schäden wie beispielsweise einem Loch im Trommelfell kommen. Eine solche Verletzung stellt einen medizinischen Notfall dar und muss mit einer Operation behandelt werden. Auch Blutungen, Infektionen, Entzündungen und Gehörverlust sind möglich. Zuletzt können manche Menschen auch allergisch auf bestimmte Bestandteile der Ohrenkerzen reagieren.

Auch, wenn die oben genannten Gefahren nicht auftreten, kann eine Ohrenkerze das Ohrenschmalz tiefer ins Ohr schieben, statt es herauszuziehen. Außerdem ist es möglich, dass sich Ablagerungen von Asche und Staub im Ohr festsetzen. Diese muss ein Arzt entfernen. Aus diesen Gründen raten Experten generell davon ab, Gegenstände in das Ohr einzuführen. Das gilt nicht nur für Ohrenkerzen, sondern auch für Wattestäbchen. Selbst diese können das Ohr verletzen und sollten daher nicht für die Reinigung benutzt werden.

Was, wenn ich dennoch Ohrenkerzen benutzen möchte?

Der Unterdruck von Ohrenkerzen ist nicht stark genug, um Ohrenschmalz tatsächlich aus dem Ohr zu entfernen. Die Kerze kann jedoch dabei helfen, die Reinigung zu erleichtern und vorzubereiten. Möchten Sie eine Ohrenkerze dafür benutzen, sollten Sie sich vorher von einem Arzt beraten lassen. Dieser kann Ihnen die Anwendung erklären und mögliche Risiken nennen. Treffen Sie außerdem wichtige Sicherheitsvorkehrungen.

Dazu zählt beispielsweise, eine möglichst sichere Ohrenkerze zu kaufen. Wählen Sie niemals ein Produkt ohne Abbrennmarkierung und Auffangfilter. Letzterer besteht meist aus Aluminium und verhindert, dass heißes Wachs oder Asche in Ihren Gehörgang gelangen. Stellen Sie außerdem ein Glas Wasser bereit, denn brennende Ohrenkerzen können nur mit Wasser gelöscht werden.

Zuletzt ist es wichtig, dass Sie Ohrenkerzen nie im Alleingang verwenden sollten. Bitten Sie einen Freund oder ein Familienmitglied darum, Ihnen zu helfen oder Sie zumindest zu beobachten. Die Person kann dann eingreifen, wenn es Probleme gibt. Besteht diese Möglichkeit nicht, können Sie eine Wellnesspraxis oder einen anderen Dienstleister aufsuchen, der die Behandlung mit Ohrenkerzen professionell durchführt.

Mögliche Alternativen zur Ohrenkerze

Ohrenschmalz ist normal, kann im Übermaß aber stark stören. Dann können Sie eine vorsichtige Spülung mit Wasser oder speziellen Ohrentropfen benutzen, um Ihre Ohren zu reinigen. Diese Tropfen weichen das Ohrenschmalz auf, sodass es leichter abfließen kann. Eine Ohrenkerze ist dafür nicht zwingend nötig.

Haben Sie stärkere Beschwerden wie Hörverlust oder Schmerzen, sollten Sie immer einen HNO-Arzt aufsuchen. Solche Symptome können verschiedene Ursachen haben. Manche davon werden durch die Benutzung einer Ohrenkerze weiter verstärkt. Deshalb sollte zunächst ein Arzt abklären, woher Ihre Beschwerden kommen und ob die Anwendung einer Ohrenkerze für Sie sicher ist. Ärzte können auch bei blockierten Gehörgängen schnelle Abhilfe schaffen.

Fazit: Das bringen Ohrenkerzen – und das nicht

Ohrenkerzen werden ins Ohr gesteckt und angezündet. Dadurch sollen sie Ohrenschmalz entfernen, Ohrgeräusche lindern und für mehr Entspannung sorgen. Diese Wirkungen sollen durch einen Druckausgleich entstehen. Kritiker zweifeln jedoch an, dass dieser stark genug sei, um Ohrenschmalz wirklich zu entfernen. Stattdessen wird das Schmalz durch die Ohrenkerze nur noch weiter ins Ohr geschoben. Noch dazu besteht Verbrennungsgefahr.

Ohrenkerzen können jedoch helfen, die Reinigung des Ohrs vorzubereiten und zu erleichtern. Möchten Sie das ausprobieren, sollten Sie sich vorher von Ihrem Arzt beraten lassen. Treffen Sie außerdem Sicherheitsvorkehrungen, indem Sie Wasser bereitstellen und gemeinsam mit einer zweiten Person arbeiten. Achten Sie darauf, dass die Kerze über Sicherheitsmerkmale wie einen Auffangfilter und eine Abbrennmarkierung verfügt.

FAQ – Häufig gestellte Fragen zum Thema “Ohrenkerzen”

1. Können Ohrenkerzen Ohrenschmalz entfernen?

Experten zweifeln an dieser Aussage. Ohrenkerzen sollen das Schmalz angeblich durch einen Unterdruck herausziehen. Dieser ist jedoch nicht stark genug für eine solche Wirkung.

2. Sind Ohrenkerzen gefährlich?

Ohrenkerzen können zu Verbrennungen, Blutungen, Infektionen und sogar Hörschäden führen. Auch allergische Reaktionen sind möglich. Doch auch wenn nichts davon passiert, schiebt die Ohrenkerze das Ohrenschmalz meist nur tiefer in das Ohr.

3. Was kommt bei Ohrenkerzen raus?

In Ohrenkerzen verbleiben gelbliche bis braune Rückstände. Diese sollen die herausgezogenen Schadstoffe darstellen. Allerdings treten die Rückstände auch dann auf, wenn die Ohrenkerze woanders abgebrannt wird. Es handelt sich dabei um verbranntes Paraffin und das Gewebe der Kerze.

4. Wie sinnvoll sind Ohrenkerzen?

Laut HNO-Ärzten ist der Unterdruck der Ohrenkerzen nicht stark genug, um das Ohr von Ohrenschmalz zu befreien. Zudem besteht die Gefahr von Verbrennungen. Die Kerzen können allerdings helfen, eine Ohrreinigung vorzubereiten oder leichter zu machen.

Haftungsausschluss und allgemeiner Hinweis zu medizinischen Themen: Die hier dargestellten Inhalte dienen ausschließlich der neutralen Information und allgemeinen Weiterbildung. Sie stellen keine Empfehlung oder Bewerbung der beschriebenen oder erwähnten diagnostischen Methoden, Behandlungen oder Arzneimittel dar. Der Text erhebt weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch können die Aktualität, Richtigkeit und Ausgewogenheit der dargebotenen Information garantiert werden. Der Text ersetzt keinesfalls die fachliche Beratung durch einen Arzt oder Apotheker und er darf nicht als Grundlage zur eigenständigen Diagnose und Beginn, Änderung oder Beendigung einer Behandlung von Krankheiten verwendet werden. Konsultieren Sie bei gesundheitlichen Fragen oder Beschwerden immer den Arzt Ihres Vertrauens!

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